Die zahnärztliche Versorgung in Bayern befindet sich im Wandel. Auch wenn die Zahlen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) auf den ersten Blick eine stabile Versorgungslage vermuten lassen, offenbart der Blick auf die regionale Verteilung ein anderes Bild. Während Städte wie München, Nürnberg oder Augsburg gut bis überdurchschnittlich versorgt sind, kämpfen viele ländliche Regionen mit zunehmendem Zahnärztemangel und Versorgungsengpässen. In strukturschwachen Gegenden wird es immer schwieriger, eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen – besonders dort, wo viele Zahnärztinnen und Zahnärzte kurz vor dem Ruhestand stehen.

Demografischer Wandel trifft auf Work-Life-Balance

Durch den demografischen Wandel innerhalb der Berufsgruppe spitzt sich die Lage weiter zu. In manchen Landkreisen sind bereits über 60 % der Zahnärztinnen und Zahnärzte älter als 55 Jahre. Der Generationswechsel steht an, doch es fehlen vielerorts Nachfolger. Junge Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner zieht es vor allem in die Städte – dorthin, wo das berufliche Netzwerk dichter, die Lebensqualität oft höher und die Praxisstrukturen moderner erscheinen. Zudem hat sich in den vergangenen Jahren ein weiterer Trend herauskristallisiert: Immer mehr junge Kolleginnen und Kollegen entscheiden sich gegen die klassische Niederlassung und bevorzugen stattdessen eine Anstellung. Diese Entwicklung ist Ausdruck veränderter Lebens- und Arbeitsvorstellungen. Viele junge Berufseinsteiger suchen nach Planbarkeit, einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie einem reduzierten unternehmerischen Risiko – Aspekte, die mit einer Festanstellung eher einhergehen als mit der Selbstständigkeit. Gerade in größeren Städten bieten zahnärztliche MVZs (Medizinische Versorgungszentren) oder größere Gemeinschaftspraxen solche Rahmenbedingungen und werden daher immer attraktiver für den zahnärztlichen Nachwuchs. Diese Verschiebung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum und lässt den Standort „Land“ weniger attraktiv erscheinen. Die Gründe dafür sind vielfältig: eingeschränkte Infrastruktur, fehlende Kinderbetreuung, begrenzte Freizeitangebote, höhere Verantwortung in Einzelpraxen und teils unklare wirtschaftliche Perspektiven.

Wettbewerbsvorteil – Praxisstandort „Land“

Dabei sprechen die Zahlen deutlich für eine Niederlassung auf dem Land. Laut dem aktuellen Versorgungsbericht der KZVB liegt der durchschnittliche Versorgungsgrad in Bayern bei 108,6 %. Was auf dem Papier nach Überversorgung aussieht, relativiert sich bei regionaler Betrachtung schnell. Während in München etwa 950 Einwohner auf einen Zahnarzt kommen, sind es in ländlichen Regionen teilweise über 2.000 – im Landkreis Eichstätt sogar fast 3.000. Das Ungleichgewicht ist offensichtlich und kann definitiv als Standort- und Wettbewerbsvorteil für die ländlichen Regionen gewertet werden.

Junge Zahnärztinnen und Zahnärzte stehen zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn vor folgenreichen Entscheidungen. Eine Niederlassung bedeutet nicht nur einen möglichen Ortswechsel, sondern ist meist eine Entscheidung fürs Leben. Besonders wichtig sind dabei finanzielle Planbarkeit, moderne technische Ausstattung und flexible Arbeitszeiten. Hinzu kommen Herausforderungen wie Fachkräftemangel oder Bürokratie. Gerade in ländlichen Regionen fehlen oft die passenden Rahmenbedingungen.

Und doch bietet eine Praxisübernahme oder -gründung auf dem Land auch große Chancen, die häufig unterschätzt werden: weniger Wettbewerb, ein größerer Patientenstamm, stabile Einnahmen und eine enge Bindung zur Bevölkerung. Zahnärztinnen und Zahnärzte gelten in vielen Gemeinden als wichtige Bezugspersonen und haben meist einen großen und vor allem treuen Patientenstamm. Wer den Schritt wagt, kann seine Praxis oft individueller gestalten, moderne Versorgungskonzepte leichter umsetzen und unternehmerisch freier agieren. Auch privat profitieren viele durch günstigeren Wohnraum, naturnahe Umgebung, Ruhe und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl – Aspekte, die in städtischen Ballungsräumen oft fehlen.

Die Politik ist gefragt

Allerdings reichen die oben genannten Standortvorteile und bestehende regionale Förderprogramme bislang leider nicht aus, um eine spürbare Trendumkehr bei den Niederlassungszahlen zu bewirken. Vereinzelte Zuschüsse oder Anreize setzen zwar Impulse, doch es braucht mehr: gezielte finanzielle Förderung, eine moderne Infrastruktur – etwa durch Breitbandausbau und verlässliche Kinderbetreuung – sowie ein klares Bekenntnis zur Zukunftsfähigkeit der ländlichen Praxis durch die Politik. Nur so kann der ländliche Raum für die junge Generation wieder zur echten Perspektive und die flächendeckende Versorgung auf Dauer sichergestellt werden.

Ohne strukturelle Veränderungen und eine gezielte Förderung des zahnärztlichen Nachwuchses droht sich das Stadt-Land-Gefälle weiter zu verschärfen. Eine flächendeckende Versorgung ist nur möglich, wenn der ländliche Raum nicht nur als Versorgungsgebiet, sondern auch als attraktiver Lebens- und Arbeitsort wahrgenommen wird – beruflich wie privat. Hier sind Politik, Kommunen und unser Berufsstand gleichermaßen gefragt, dies umzusetzen.