1. Münchner CMD- Tage
„Eine Tradition beginnt“ – so beschrieb Herr Stefan Seyler, Direktor der Deutschen Apotheker– und Ärztebank München, in seinem Facebook-Beitrag die Veranstaltung.
Bei tropischer Hitze fanden am 28. / 29. Juni 2019 die ersten Münchner CMD- Tage mit einem vollen Haus der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in München statt.
Am ersten Tag hielten Prof. Dr. Hans Jürgen Schindler, Karlsruhe, Oberarzt an der Universität Würzburg, und Dr. Gerhard Luttke, Radiologe aus München die Vorträge. Prof. Dr. Hans Jürgen Schindler, der durch seine Tätigkeit in eigener niedergelassener Praxis und Jahrzehnte lange Grundlagenforschung zum Thema, CMD Erkrankungen detailliert kennt, differenzierte explizit in schmerzlose und schmerzhafte CMD. Bei schmerzloser CMD, wie z.B. schmerzlosem Knacken bei Kieferöffnung, besteht in der Regel keine Notwendigkeit weitergehender Befunderhebung und Therapie. Bereits eine Aufklärung über das häufig auftretende harmlose Phänomen ist für den Patienten Therapie und beruhigt ihn. Bei schmerzhafter CMD ist die Muskulatur die häufigste schmerzverursachende Struktur. Diese myofaszialen Schmerzen sind multifaktorieller Genese und werden bei disponierten Patienten in der Regel durch regionale Überlastungen der betroffenen Muskulatur ausgelöst und/oder unterhalten. Sie sind durch den Zahnarzt nach einer schmerzbezogenen Anamnese und nachfolgender Palpation leicht zu diagnostizieren. In den meisten Fällen verspricht eine Aufbissschiene im Sinne der Michigan- Schiene Erfolg, begleitet von Selbstmassage, funktionellen Übungen und Physiotherapie. Wenn die Schmerzen beseitigt sind, kann die Schiene nach Bedarf eingesetzt werden. Seinen Patienten erklärt er das Problem der schmerzhaften Kaumuskulatur mit „Rückenschmerzen im Gesicht“ als Analogie. Bei Schmerzfreiheit ist in der Regel keine weiterführende Therapie notwendig.
Dr. Gerhard Luttke, Radiologe aus München erläuterte anhand der Magnetresonanztomographie (MRT) die zahnärztlich relevanten Strukturen der Fossa, des Condylus und des Discus. Mit einem Tesla 3-Gerät sind auch ohne spezielle Kiefergelenk-spulen mit einer normalen Kopfspule sehr gute Aufnahmen zu erzielen. An mehreren Beispielen zeigte er die Befunde der unterschiedlichen Kiefergelenkserkrankungen mit besonderem Schwerpunkt auf die Verlagerungen des Discus articularis und auf atrophische Veränderungen der ossären Strukturen.
Am Samstag,ebenfalls bei Temperaturen weit über 30 Grad, sprach Prof. Dr. Helge Fischer- Brandies über „das Kieler Schienenkonzept bei CMD-Erkrankungen“ und über Kieferorthopädie und CMD. Hatte Prof. Schindler die Therapie schmerzhafter Muskelbefunde im Focus, behandelte Prof.Fischer-Brandies das Thema Diagnose und Therapie schmerzhafter Kiefergelenke.Ursache sind hierbei die Überlastung der bindegewebigen oder - bei Arthritis/Arthrose - der knöchernen Kiefergelenksstrukturen. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Diagnose der anterioren Verlagerung des Discus nach ventral oder medial oder medial ventral in der partiellen oder totalen Form mit oder ohne Reposition zu.
Einer ausführlichen Anamnese folgt die Befundung der Muskulatur und der Kiefergelenke. Hierbei haben sich die an seiner Poliklinik von seinem ehemaligen Oberarzt Prof. Dr. Axel Bumann etablierten Techniken als wegweisend gezeigt. Auch die Okklusion stellt einen wichtigen Parameter bei der Befunderhebung dar. Überlastete Zähne oder Zahngruppen werden protokolliert, um sie im Laufe und nach Abschluss der Therapie vergleichen zu können. Dieser umfangreichen klinischen Befundung folgt in der Regel der Abgleich mit einem MRT. Aufgrund der Auswertung dieser Daten wird nach dem Kieler Konzept eine „diagnostische Schiene“ in einer neuen zentrischen Relation der Kiefer hergestellt, die - mit Ausnahme des Essens - 24 Stunden am Tag getragen wird. In der Regel wird die Schiene für den Unterkiefer angefertigt, mit seitlichen geringen Einbissen der Gegenkieferhöcker und ohne Front-Eckzahnkontakten. Begleitet wird der Patient durch ein Team von Osteopathen und Physiotherapeuten. Tritt keine Verbesserung ein, wird die Schienenposition nach erneuter Befundung geändert. Kommt es in der neuen okklusalen zentrischen Position der Kiefer innerhalb eines Zeitraumes bis zu 6 Monaten zu einer Besserung oder Schmerzfreiheit, wird mit einem neuen MRT die neue Lage des Discus überprüft. Die nachfolgende Therapieoptionen werden dann festgelegt: Belassen der bestehenden Situation, wenn nachhaltig Schmerzfreiheit eintritt, die prothetische Herstellung einer stabilen Okklusion, kieferorthopädische Therapie oder - im einzelnen Fällen - kieferchirurgisches Vorgehen.
Zur kieferorthopädischen Behandlung bei bestehender CMD muss sich der Therapeut über die das Kiefergelenk belastenden Kraftvektoren der verschiedenen Geräte im Klaren sein,um die CMD-Erkrankung nicht zu verschlechtern.
Privatdozent Dr. M. Oliver Ahlers aus Hamburg hielt die Teilnehmer des Kongresses am Nachmittag bei guter Laune. Dies war der natürlichen empathischen Art seines Vortrags als auch dem spannenden Thema zu verdanken. Er referierte über die therapeutischen Möglichkeiten der invasiven, minimal invasiven und non-invasiven Versorgung bei notwendiger prothetischer Weiterbehandlung.
PD Dr. Ahlers demonstrierte die digitale Erfassung der Befunde und ihre Auswertung beim CMD-Screening (CMDcheck). Legt das Ergebnis das Vorliegen einer CMD nahe, erfolgt die Erfassung der CMD-relevanten Befunde im Rahmen der erweiterten Diagnostik mittels klinischer Funktionsanalyse (CMDfact, Modul CMDstatus) und manueller Strukturanalyse (Modul CMDmanu). Zudem stellte er das von Dr. Wetselaar, Amsterdam, und ihm weiterentwickelte Tooth Ware Evaluation System (TWES) vor. Dieses enthält in der ersten Stufe ein Zahnverschleiß-Screening für die Erfassung von Zahnverschleiß. Bei erhöhten Verschleißwerten erfolgt ein genauerer Zahnverschleiß-Status zur Differenzierung des Zahnhartsubstanzverlustes. Eine zusätzlich gestellte Diagnose präzisiert den Zerstörungsgrad der Zähne und pathologische Folgen und erleichtert so die Entscheidung, wann eine prothetische Indikation vorliegt. Auch die Befunde dieser Untersuchungen werden effizient digital erfasst (CMDfact-Modul CMDbrux).
PD Dr. Ahlers wies darauf hin, dass in seiner Praxis nur 10 % aller CMD-Fälle eine prothetische Versorgung brauchen. Aus Zahnsubstanzerhaltungsgründen sollten hier, wenn möglich, wenig invasiven Techniken der Vorzug gegeben werden. Ein von ihm gemeinsam mit Prof. Edelhoff, München, entwickelter Schleifkörpersatz „Okklusions-Onlay Set“ (Komet Dental 4665) erleichtert die Formgebung bei der minimal-invasiven Präparation. Seit vielen Jahren hat sich das Material Lithiumdisilikat in monolithische rForm als beste Option zur Rekonstruktion der okklusalen Flächen der Zähne erweisen. Die verschiedenen Materialien und Techniken zur Befestigung der Repositionsonlays auf Schmelz/Dentin, keramischen Kronen, Composite- oder Metallrestaurationen rundeten seinen Vortrag ab.
Die 1.Münchner CMD-Tage befassten sich mit der Behandlung schmerzhafter Muskulatur,der Behandlung schmerzhafter Kiefergelenksstrukturen und der manchmal notwendigen prothetischen Versorgung. Den Teilnehmern, Ausstellern und auch den Referenten hat die Veranstaltung sehr gut gefallen. Das Thema CMD-Erkrankung, die Vorträge, die Räumlichkeiten und das familiäre Drumherum waren insgesamt stimmig; besonders hervorzuheben auch der für Zahnärzte wichtige Praxisbezug der Referenten. Darum wurde eine Fortsetzung der Münchner CMD-Tage im nächsten Jahr gewünscht.
Eine Tradition beginnt!
30.Juni 2019
Dr. ArminWalter