Bruxismus und Zahnersatz
Prof. Dr. Schmitter - Vortragszusammenfassung
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
nachfolgend habe ich für als Hilfestellung für ZZB-Mitglieder die wesentlichen Inhalte des Vortrages, der am 28. Oktober 2017 auf dem Bayerischen gehalten wurde, zusammengefasst. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben kann keine Verantwortung übernommen werden. Viel Spaß beim Lesen!
Mit herzlichen kollegialen Grüßen
Dr. Axel Wiedenmann
Bruxismus und Zahnersatz
Prof. Dr. Marc Schmitter / Würzburg / 28.10.2017
Diagnostik
Eingangs stellt Prof. Schmitter in seinem Vortrag die Schwierigkeit heraus, Bruxismus sicher zu diagnostizieren. Die Diagnostik stützt sich im Wesentlichen auf die Anamnese typischer Beschwerden mit Hilfe eines detaillierten Anamnesebogens, die klinische Feststellung von Wangen- oder Zungenimpressionen und Schlifffacetten auf den Zähnen. Diese unterliegt aber etlichen subjektiven Ungenauigkeiten. Die sicherste, gleichzeitig aber auch aufwendigste Methode ist eine Untersuchung im Schlaflabor.
Versucht wurde auch die Messung eingeleiteter Kräfte auf eine mit Sensoren entsprechend ausgestattete Schiene. Die Ergebnisse werden hier aber durch einen bereits vorhandenen therapeutischen Effekt der Schiene verfälscht, die den Bruxismusreiz abschwächen oder verstärken kann und nur bei ca. 33% keine Beeinflussung des Bruxismus erkennen lässt.
Als aussichtsreich zur Objektivierung erscheinen Elektromyographie - Geräte, die bereits kabellos mit Übertragung der Daten an das Smartphone (z.B. Gindcare) angeboten werden. Bei einer Messung über zumindest 4 Nächte werden reliable und valide Ergebnisse erfasst. Zudem wird durch die unmittelbare Visualisierung der Befunde auch für den Patienten die Akzeptanz einer Messung erhöht.
Knirschen oder Pressen?
Prof. Schmitter stellt heraus, dass Pressen häufiger funktionelle Beschwerden zur Folge hat als Knirschen. Die Differenzierung kann mit speziellen Lacken (z.B. Arti-Brux) erfolgen, mit denen die Okklusalflächen lackiert und am nächsten Tag nachkontrolliert werden.
Unterschiedliche Bruxismusformen
Unterschieden wird der Schlaf- vom Wachbruxismus. Letzterem kommt eine zunehmend hohe Bedeutung zu. Zudem ist der primäre (idiopathische) vom sekundären, iatrogen induzierten Bruxismus zu unterschieden.
Die Ursachen des Bruxismus können in einer dopaminabhängigen Bewegungsstörung (z.B. Parkinson), psychischen Gründen oder einer genetischen Disposition liegen. Bruxismus kann durch die Neuanfertigung von Zahnersatz nicht positiv beeinflusst werden.
Wie häufig kommt Bruxismus vor?
CMD-Patienten mit schmerzhafter Symptomatik weisen 71% Bruxismus auf, in der Gruppe der beschwerdefreien Patienten konnte vergleichsweise nur bei etwa 14% Bruxismus diagnostiziert werden.
Therapie des Bruxismus
Hier stellt weiterhin die Schiene das wichtigste Therapiemittel dar. Zukünftig werden CAD-CAM – Verfahren und das Drucken mittels 3D – Druckern an Bedeutung gewinnen. Auf Details geht Prof. Schmitter hier nicht ein und verweist auf sein Buch „Konzept Okklusionsschiene“. Zunehmende Bedeutung kommt dem Wachbruxismus zu, an dem nach Angaben Schmitters 34% der CMD-Patienten und immerhin 11% der gesunden, symptomfreien Patienten leiden. Hier ist der Therapieansatz mit einer Schiene weitgehend sinnlos.
Vollkeramik und Bruxismus
Zur Frage, ob vollkeramische Versorgungen bei Bruxismus vergleichbare Erfolgssicherheit wie die herkömmliche VMK-Technik bieten, konnte Prof. Schmitter keine Studienergebnisse berichten. Bei allen vorliegenden Studien wurden Bruxismus – Patienten im Vorfeld der Studie ausgeschlossen, wenngleich die hierfür angesetzten Kriterien teils auf subjektiven Einschätzungen beruhten. Experimentell zeigen sich bei Belastung durch Pressen jedoch deutliche Spannungsspitzen in der vollkeramischen Struktur. Es liegt also der Verdacht nahe, dass vollkeramische Versorgungen bei dieser Patientengruppe zu höheren Komplikationsraten führen.
Cave: Indikationsbereich Vollkeramik
Die Praktiker sollten in diesem Zusammenhang bei vollkeramischen Restaurationen spezielles Augenmerk auf den zugelassenen Indikationsbereich vollkeramischer Werkstoffe richten. Trotz der dargestellten Schwierigkeit einer objektiven Verifizierung bei gleichzeitig hoher Prävalenz ist Bruxismus bei vielen Herstellern als Kontraindikation vollkeramischer Restaurationen aufgeführt! Damit sind diese Werkstoffe vom Hersteller für Bruxismus – Patienten streng genommen nicht freigegeben.
Monolithische Zirkondioxidkronen als Lösung?
Dieses Problem könnte mit monolithischen Zirkondioxidkronen umgangen werden. Hierzu findet derzeit eine Studie an der Universität Würzburg statt. Von insgesamt 50 Patienten wurden bislang 39 Patienten mit monolithischen Kronen versorgt. Diese befinden sich teilweise erst seit sechs Monaten im Mund und zeigen bislang keine Komplikationen. Eine Aussage kann bei laufender Studie aber noch nicht getroffen werden.
Bruxismus / Vollkeramik / Implantatsuprakonstruktionen
Im Folgenden ging Prof. Schmitter auf die Frage ein, ob Implantate mit vollkeramischen Suprakonstruktionen bei vorliegendem Bruxismus komplikationsanfälliger sind. Verschiedene Studien belegen die erhöhte Komplikationsanfälligkeit, wenngleich auch hier die Frage nach der objektiven Diagnostik des Bruxismus gestellt werden muss.
Unterschieden werden muss in die beiden Felder biologischer oder technischer Komplikationen. Bezüglich biologischer Komplikationen liegen heterogene Daten vor.
Als Parallele führte Prof. Schmitter die Frage an, ob Parodontitis von einer traumatischen Okklusion abhängig ist. Diese Frage wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Heute ist bekannt, dass Bruxismus bei parodontal gesunden Patienten keinen Einfluss hinsichtlich der Entstehung einer parodontalen Schädigung hat. Liegen jedoch parodontale Vorschädigungen vor, stellt Bruxismus einen ungünstig beeinflussenden Faktor hinsichtlich parodontaler Komplikationen dar. Ebenso begünstigt Bruxismus im Falle vorhandener Plaque auch Auftreten und Progredienz von Periimplantitis.
Bruxismus hat negativen Einfluss auf technische Implantatkomplikationen
Eindeutig konnte in unterschiedlichen Studien eine erhöhte Zahl technischer Implantatkomplikationen bei Bruxismus wie z.B. Schraubenfrakturen, Chipping etc. festgestellt werden.
Therapie des Bruxismus mit Elektrostimulation
Gute Ansätze bezüglich der Therapie des Bruxismus scheinen sich durch Schienen mit einem elektrischen Feedback – Impuls abzuzeichnen. Hier scheint der Bruxismus auch sechs Monate nach Absetzen zu unterbleiben.
Vollkeramik oder Goldkauflächen?
Abschließend diskutierte Prof. Schmitter die Frage, ob hinsichtlich der dargestellten Komplikationen bei vollkeramischem Zahnersatz auf natürlichen Zähnen und Implantaten insbesondere in Verbindung mit Bruxismus wieder ein Schritt von vollkeramischen Werkstoffen zurück zu weicheren Materialien wie Gold oder Kunststoff überlegt werden sollte. Prof. Schmitter befürwortet dies in der Form, dass zumindest in einem Kiefer ein duktileres Material zum Einsatz kommen sollte.
Dem gegenüber steht jedoch die Erwartungshaltung vieler Patienten nach möglichst natürlich erscheinendem, metallfreiem Zahnersatz. Entscheidend ist letztendlich die Empfehlung des verantwortungsvoll handelnden Zahnarztes im Spannungsfeld zwischen ästhetischem Anspruch und einer möglichst erfolgssicheren Rehabilitation.
Zusammengefasst von Dr. Axel Wiedenmann
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