Neuer HVM beschlossen
Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) hat am 28. April 2018 mit der Mehrheit der Fraktionen des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte Bayern einen neuen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) beschlossen. Vor dem Hintergrund, zukünftig Puffertage abschaffen zu können, hatte die Vertreterversammlung schon 2017 den Vorstand der KZVB beauftragt, mit einem neuen HVM Planungssicherheit für die Zahnarztpraxen in Bayern zu garantieren und dabei die Unterfinanzierung zahnärztlicher Leistungen zumindest einiger Krankenkassen auch weiterhin nach außen sichtbar zu machen. Nach meiner Einschätzung ist mit diesem HVM in der vorliegenden Fassung keine dieser Vorgaben erfüllt.
Das Bundessozialgesetz regelt die Vereinbarungen von maximalen Gesamtvergütungsobergrenzen für die zahnärztlichen Leistungen des BEMA durch die Krankenkassen. Werden diese Grenzen überschritten, müssen die KZVen die Auszahlung der so budgetierten Beträge regeln – in diesen Fällen mit einem Honorarverteilungsmaßstab (HVM). Der bestehende HVM sah dafür sogenannte Puffertage vor, an denen die garantierten Punktwerte der Leistungen ausgesetzt wurden. Waren von den Puffertagen alle bayerischen Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte in einem definierten zeitlichen Rahmen gleichermaßen betroffen, wird zukünftig für jede Praxis ein individuelles Budget errechnet und bei Überschreitung Leistungen komplett gestrichen.
Dabei ist das Berechnungsverfahren kompliziert, intransparent und kann jederzeit durch den Vorstand angepasst werden. Wenn die Puffertage auch in der Bayerischen Zahnärzteschaft wenig populär waren, boten sie auch in der Außenwirkung die Möglichkeit, die Krankenkassen zu benennen, deren Budgets für eine Versorgung der Versicherten nicht ausreichten. Mit dem neuen HVM jedoch wird sich nun jede Praxis im Verborgenen mit den begrenzten Mitteln auseinandersetzen.
Wie soll der neue HVM funktionieren?
Betroffen von dem neuen HVM sind ausschließlich Leistungen des BEMA Teils 1, also konservierend und chirurgische Leistungen sowie Röntgenleistungen. Grundlage der Berechnung der Einzelbudgets ist die Einteilung der Behandlungen in sogenannte Fallgruppen, wobei insgesamt drei der Gruppen definiert werden:
Die Gruppe U deckt alle Untersuchungs- und diagnostische Leistungen (z.B. Röntgenleistungen) ab. In der Gruppe B finden sich im Wesentlichen konservierend - chirurgische Leistungen und in der Gruppe K sind vor allem kieferchirurgische Leistungen abgebildet. Jeder Gruppe liegt ein garantierter Budgetbetrag zugrunde, wobei pro Behandlungsfall je Quartal jeweils nur ein Budgetbetrag zugeordnet werden kann. Werden Behandlungen aus mehreren Fallgruppen durchgeführt, wird der Betrag der jeweils höheren Fallgruppe berücksichtigt.
Für jede Praxis wird dann die bei der Abrechnung von der KZVB ermittelte Anzahl an Behandlungsfällen mit dem jeweiligen Budgetbetrag multipliziert. Die Gesamtsumme dieser Budgetbeträge ergibt dann das Gesamtbudget der Praxis. Die Summe aller Budgetbeträge jeden Quartals bildet das garantierte Abrechnungsvolumen der einzelnen Praxis für die KCH- Leistungen in dem Kalenderjahr.
Diese Berechnung der Budgets muss für jede einzelne Krankenkasse bzw. Krankenkassenverbände durchgeführt werden. Das bedeutet, dass allein für die 12 innerbayerischen Krankenkassen bzw. -verbände je Praxis entsprechend der 3 Fallgruppen (U, B, K) 36 individuelle Budgets zugeordnet werden müssen.
Werden die Budgets in Gruppe U beispielsweise mit 50 € berechnet und die in Gruppe B mit 146 € so kann es betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, mit einer Leistung der Gruppe B den höheren Budgetbetrag für diesen Fall zu erreichen. Möglichweise werden zukünftig Strategien entwickelt, nicht unmittelbar notwendige Behandlungen der Gruppe B zu teilen und in einem Folgequartal vorzunehmen. Dies führte dann in dem genannten Fall zu einem höheren garantierten Abrechnungsvolumen. Derartige Maßnahmen führen aber insgesamt zu höheren Gesamtkosten. Die für das Kollektiv aller bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzte ausgehandelten Vergütungsobergrenzen würden damit schneller erreicht, in der Folge müssten die Budgetgrenzen der genannten Gruppen gesenkt werden. Diese Stellschrauben obliegen alleine dem Vorstand.
Planungssicherheit unmöglich
Das Ziel der Planungssicherheit wird verfehlt. Kein Zahnarzt weiß am Quartalsbeginn oder auch zu einem späteren Zeitpunkt, wie viele Patienten der verschiedenen Krankenkassen noch zur Behandlung kommen werden und welcher Behandlungsbedarf besteht. Daraus resultiert eine Unsicherheit, ob die berechneten Einzelbudgets bei den betroffenen Krankenkassen in jeder einzelnen Fallgruppe für die Versicherten über - oder unterschritten werden. Definitive Aussagen, in wie weit die Budgets reichen, können ohnehin erst im darauffolgenden Jahr getroffen werden, da eine Gesamtjahresbetrachtung erst weit im Folgejahr möglich ist. Die Berechnung der Budgetausschöpfung bei mindestens 36 Fallgruppen erfordert zudem einen enormen Aufwand.
Benachteiligung der Einzelpraxis
Größere Praxiseinheiten oder auch die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) profitieren von dieser Regelung, da sich das Budget nach der Anzahl der Scheine und nicht nach der beim jeweiligen Patienten erbrachten Leistungsmenge richtet. In kleinen Praxen mit geringen Scheinzahlen erhöht sich zudem das individuelle Risiko, bei einigen Krankenkassen bzw. Krankenkassenverbänden sehr geringe Anzahlen von Behandlungsfällen zu haben. Besteht bei diesen dann erhöhter Behandlungsbedarf, kann er nur durch weitere Versicherte mit geringem Behandlungsbedarf kompensiert werden, was ggf. dann gar nicht möglich ist.
Der neue HVM wird also zu Verzerrungen der individuellen Budgets in einzelnen Praxen führen. Ob die Einführung von Härtefallregelungen ausreicht, um diese Verwerfungen aufzufangen, ist fraglich.
Darstellung des finanziellen Mangels nicht mehr gegeben
Die Honorarverteilung und deren Umsetzung wird erst dann notwendig, wenn die einzelne Krankenkasse für den betreffenden Behandlungsbereich nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Dies erfolgte in der Vergangenheit regelmäßig bei der AOK Bayern. Hintergrund sind die im Vergleich zu anderen gesetzlichen Krankenkassen zu geringen Pro-Kopf-Beträge, die historisch begründet heute einer Grundlage entbehren. Versicherte der AOK Bayern rufen also Leistungen ab, die durch die Krankenkasse nicht gedeckt sind.
Der alte HVM und die hier beschriebenen Puffertage machten nach außen hin diesen Mangel sichtbar. Insbesondere bei der AOK Bayern war der Ärger jedes Mal groß, weil auch den Versicherten deutlich gemacht werden konnte, dass zahnärztliche Leistungen – anders wie bei konkurrierenden Kassen – ggf. nicht übernommen werden konnten.
Die neuen individuellen Praxisbudgets machen diesen finanziellen Mangel nicht mehr sichtbar. Zum einen verteilt sich das Budgetproblem bei jeder Krankenkasse auf 3 Fallgruppen, in denen der finanzielle Mangel zukünftig getrennt ausgewiesen werden müsste, zum anderen besteht das Problem in jeder Praxis völlig unterschiedlich.
Das Budgetproblem wird damit auf den einzelnen Zahnarzt abgewälzt. Verständlicherweise kann insbesondere die AOK Bayern mit dem neuen HVM gut leben.
Hintergründe der Entwicklung des neuen HVM
Keine plausible Begründung
Großes Unverständnis besteht auch weiterhin, warum überhaupt ein neuer HVM entwickelt und verabschiedet wurde. Die Begründung des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte Bayern (FVDZ) ist nicht nachvollziehbar.
Offenbar hatte das Aufsichtsministerium den alten HVM und hier insbesondere die Puffertage moniert. Die Rechtsaufsicht kann jedoch nur dann Einfluss auf die Politik der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns nehmen, wenn eindeutige Rechtsverstöße einer Regelung vorliegen. Dies war vorliegend nicht der Fall. So hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer verfassungsrechtlichen Überprüfung bereits 1999 die Regelungen des geltenden HVM der KZVB als rechtskonform beurteilt.
Keine Notwendigkeit des neuen HVM
Im Jahr 2017 wurden keine Puffertage ausgerufen, die finanziellen Mittel, auch die der AOK Bayern, reichten aus.
Für das Jahr 2017 hat der KZVB Vorstand mit der AOK Bayern eine Anhebung der Vergütungsobergrenze um 2,5 %, die Steigerung der Punktwerte zahnärztlicher Leistungen aber nur um 1,25 % (2,5 % erst ab 01.07.2018) vereinbart. Das schaffte Luft im Budget, da Leistungsmenge und Honorierung zahnärztlicher KCH Leistungen entkoppelt wurden. Mit dieser unterdurchschnittlichen Punktwertsteigerung von 1,25 % mit der AOK Bayern haben die bayerischen Zahnärzte/ innen quasi ihre Puffertage für 2017 durch Honorarverzicht bezahlt. Nach aktuellen Aussagen des KZVB- Vorstandes reichen auch für 2018 die Mittel der AOK Bayern aus. Damit besteht seitens der Zahnärzteschaft keine Notwendigkeit eines neuen HVM.
Standespolitische Diskussion unterbunden
Der Entwurf des neuen HVM wurde den Delegierten der Vertreterversammlung mit dem besonderen Vermerk „Vertraulich/Geheim“ zugestellt. Damit wurde bewusst eine breite standespolitische Diskussion in der Zahnärzteschaft verhindert. Es ist meines Erachtens unerlässlich, dass die von Ihnen gewählten Delegierten gerade so fundamental wichtige Themen mit der bayerischen Zahnärzteschaft diskutieren können. So haben jedoch die Fraktionen des FVDZ Bayern mit ihren Delegierten den neuen HVM für 2019 beschlossen, ohne die Ergebnisse einer standespolitischen Diskussion abzuwarten und ohne Rücksicht auf die betroffenen bayerischen Zahnärzte/innen zu nehmen.
Der neue HVM für KCH Leistungen ist schlechter als der alte HVM
Der vom Vorstand der KZVB, Herrn ZA Berger, Dr. Schott und Dr. Kinner, vorgelegte neue HVM macht bei näherem Hinsehen schnell klar, dass mit ihm keines der angestrebten Ziele erreicht werden wird. Er konterkariert die Planungssicherheit im Bereich der KCH- Behandlung, erhöht den bürokratischen Aufwand für jede Praxis, vermeidet das Sichtbarmachen der finanziellen Unterausstattung für zahnärztliche Behandlungen durch einzelne Krankenkassen, verlagert die zu geringen Pro- Kopf- Beträge einzelner Krankenkassen individuell unterschiedlich in jede Zahnarztpraxis in Bayern und, belastet letztendlich die Solidarität und den Zusammenhalt der bayerischen Zahnärztinnen und Zahnärzte. Mit diesem HVM ist der amtierende Vorstand der KZVB unnötigerweise erneut den Krankenkassen, und hier besonders der AOK Bayern, entgegengekommen.
Der neue HVM weckt starke Zweifel, dass hier im Interesse der Zahnärzteschaft gehandelt wurde
18.Mai 2018
Dr. Armin Walter
Vorsitzender ZZB