Der totale Spahnsinn

27/3/21
Standespolitik

Der totale Spahnsinn

Ein Beitrag von Dr. Zsolt Zrinyi  

 

Neulich habe ich einen Artikel auf Seite drei der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel „Und schuld bist du“ gelesen (SZ vom 09.03.2021). Es ging um das Ende des Höhenflugs von Herrn Gesundheitsminister Spahn. Im Kern ging es aber vielmehr um das Ende der Illusion, dass Integrität, Vernunft und Kompetenz unser Land regiert, dies vor dem Hintergrund des Werdeganges von Jens Spahn vom Karnevalsprinzen „Jens der Erste“ zum Bundesgesundheitsminister.

 Betrachtet man das Wirken des Herrn Spahn in seinem Amt, so kann einem schon angst und bange werden, nicht nur vor dem Gedanken, dass er auch nach der Bundestagswahl noch Gesundheitsminister bleiben könnte, sondern vor seinem Vermächtnis, seiner Herzensangelegenheit, der Digitalisierung des Gesundheitswesens, ein vordergründig mit der Aussicht großer Nutzungspotentiale verschleierter Abschied vom Selbstbestimmungsrecht von Arzt und Patient.

 Aber eins nach dem anderen:

 Vor genau einem Jahr rückte uns die Pandemie durch den ersten Lockdown schlagartig ins Bewusstsein. Eine völlig neue, unbekannte Situation. Ein Virus, das unser Leben zum Stillstand bringt und scheinbar wahllos Menschentötet. Was sollten wir tun? Auf wen sollte man hören? Instinktiv, so würde man meinen, auf die, die von Viren Ahnung haben: Virologen, Infektiologen und Ärzte. Zu Beginn, als Verunsicherung und Lähmung durch das Land zogen, nahmen Politiker deren Expertise zur Grundlage für ihre Entscheidungen. Die Situation entspannte sich.

 Manche Politikerin mit naturwissenschaftlichem Hintergrund tut dies bis heute: fragen, zuhören, abwägen. Der Karnevalsprinz hingegen steht nicht gern in der zweiten Reihe. Die Bühne anderen zu überlassen, ist nicht sein Ding. Und so machte sich Jens Spahn daran, das Ruder in der Pandemiebewältigung selbst zu übernehmen. Und das ging kurz gesagt so: „Jens Spahn und seine Chaosplanung“, „Spahns Chaos“, „Anspruch und Wirklichkeit des Jens Spahn – Der Vielversprechende“, „Das Planungsdesaster“ und „Das Astra-Desaster“ (Der Spiegel), „Spahn hat für Test-Chaos gesorgt“ (Kassenärzte), „Die Methode Spahn –Versäumnisse in der Corona-Politik“ (ZDF Mediathek), „Schnelltest-Einführung zum 1. März gekippt – Ärger über Spahn im Gesundheitsministerium“ (Der Tagesspiegel), „Spahns doppeltes Desaster – Erst kippt Schnelltestversprechen – jetzt droht die Impf-Flut“ (Focus) usw...

 Angefangen von der Maskenbeschaffung über Corona-App und Teststrategie bis hin zur Impfstoffbeschaffung hinterließ Spahn nach großmundigen Ankündigungen verlässlich mindestens so große Luftnummern. Die Kontrolle ist ihm entglitten. In Sachen Astra-Zeneca-Stopp betonte Spahn zuletzt, dass dies keine politische, sondern eine wissenschaftliche Entscheidung sei. Ach so? Man fragt sich, warum er nicht schon früher und auch regelmäßiger auf die Wissenschaft gehört hat. So wäre uns vielleicht einiges erspart geblieben.  

 Die Handlungsweisen lassen den Verdacht zu, dass es auch bei seinem großen übergeordneten politischen Vorhaben, der Digitalisierung des Gesundheitswesens ebenso wenig um die Sache geht. Spahn lenkt sein Ministerium auf Sicht, genau genommen auf seine Sicht, ohne Kompass und ohne Steuermann. Und liest man mal, was ein Karnevalsprinz eigentlich ist, so versteht man, was Spahn von sich denkt und was er vor Augen hat: Alleinherrscher und Oberhaupt.

Es besteht die berechtigte Sorge, dass, analog zu seiner Corona-Politik, am Ende auch bei der Digitalisierung ein Chaos bleibt. Und dass wir im Zuge dessen ein wesentliches Stück unserer Selbstverwaltung und Selbstbestimmung verlieren könnten. Zugleich fragt man sich, wie das denn vor dem Hintergrund all der Lücken im eHealth und TI mit der Datenschutzgrundverordnung gemeint war? Ganz zu schweigen vom Antikorruptionsgesetz, das einen ganzen Berufsstand unter Generalverdacht stellte, mitunter von solchen Politikern, die sich an der ersten Not der Pandemie, den Masken, wie nun öffentlich wurde zu Unrecht bereichert haben.

Als niedergelassener Praktiker bade ich seit langsam einem Vierteljahrhundert die Kapriolen der Gesundheitspolitik aus. Der eigentliche Kern meiner täglichen Tätigkeit, die Versorgung von Patienten, die Heilung von Krankheiten und die Vorsorge blieben seither mehr und mehr auf der Strecke. Die Gesundheitspolitik lebt von Bürokraten, die tägliche Praxis hingegen von und für den Menschen. Dass wir weitgehend auf unsere Kosten das Hygieneprotokoll im Sinne der Gesundheit unserer Patienten und Mitarbeiter angepasst haben und weiterhin ohne wirtschaftliche Anerkennung einhalten und so dem Sicherstellungsauftragkonsequent nachkommen, zeugt von der Moral und dem Verantwortungsbewusstsein unseres Berufsstandes.

Und ja, gewiss lässt sich die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht aufhalten. Doch wenn dies nicht mit uns erfolgt, könnte dies das Tröpfchen sein, welches das Fass des Zumutbaren zum Überlaufen bringt. Unsere Standesvertretung ist gefragt, die Politik mit der Realität unseres Alltags zu konfrontieren und rote Linien zu definieren. Mit Spahns unbedachter Großmundigkeit, mit der er sich durch ein Jahr Corona mäandert hat, werden sonst am Ende auch in dieser Sache die Leistungserbringer und folglich unsere Patienten auf der Strecke bleiben.

Ich wette nicht auf Jens, den Letzten. Daher kann ich nur alle Kolleginnen und Kollegen auffordern, sich spätestens JETZT für eine geordnete, fundierte und sinnvolle Digitalisierung einzusetzen oder die dabei zu unterstützen, die dies für unseren Berufsstand tun. Bleiben Sie aufmerksam, engagiert und gesund!

Halten wir zusammen.

Herzlich, Euer/ Ihr Zsolt Zrinyi

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