Gefährliche Datenspende
Verlust der Datenhoheit
Mit der elektronischen Patientenakte – ePA – soll eine freiwillige Datenspende der Patienten eingeführt werden. Diese Daten sollen auf zentralen Rechnern gespeichert und anonymisiert der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt werden. Damit vergibt der Patient seine Datenhoheit.
Die Datensicherheit und der Datenschutz unserer Patientendaten können aber nicht vollständig gewährleitet werden. Der Bundesgesundheitsminister spricht hier von größtmöglicher Datensicherheit, was konkret bedeutet, dass die Daten durch externe Hacker, fahrlässig oder vorsätzlich von innen an interessierte Personen oder Institutionen gelangen können. Die Erfahrungen mit Eingriffen in das EDV- System des Bundestages, in Krankenhausnetzwerke und in die Fahrtenschreiber der Fahrzeuge der Bundestagsabgeordneten und viele weitere aktuelle Beispiele dokumentieren, dass Daten in zugänglichen Servern nie wirklich sicher sein werden.
Sind die Daten aber einmal zur Speicherung auf einem zentralen Server gespendet, ist die Datenhoheit aus der Hand gegeben.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Prof. Kelber, hat in seinen Stellungnahmen während des Gesetzgebungsverfahrens mehrfach darauf hingewiesen, dass Patientinnen und Patienten bei Einführung der ePA die volle Hoheit über ihre Daten besitzen müssen. „Hier weist das vom Deutschen Bundestag beschlossene PDSG (Patientendaten-Schutz-Gesetz, Anmerk. des Verfassers), das derzeit im Bundesrat beraten wird, Defizite auf: Gesundheitsdaten offenbaren intimste Informationen über die Bürgerinnen und Bürger. Deswegen sind sie in der europaweit geltenden DSGVO auch besonders geschützt. Sollte das PDSG unverändert beschlossen werden, muss ich die meiner Aufsicht unterliegenden gesetzlichen Krankenkassen mit rund 44,5 Millionen Versicherten formell davor warnen, die ePA nur nach den Vorgaben des PDSG umzusetzen, da dies ein europarechtswidriges Verhalten darstellen würde. Außerdem bereite ich in diesem Zusammenhang weitere Maßnahmen vor, um einer europarechtswidrigen Umsetzung der ePA abzuhelfen. Nach der DSGVO stehen mir dazu neben Anweisungen auch Untersagungen zur Verfügung.“
Siehe hierzu: https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2020/20_BfDI-zu-PDSG.html
Das Interesse an persönlichen Gesundheitsdaten ist groß. Nicht nur das Bundesministerium für Gesundheit erhofft sich eine noch effizientere Steuerung der Gesundheitsleistungen, auch die private Versicherungswirtschaft könnte mit persönlichen Daten Krankheitsrisiken zielgenau vertraglich berücksichtigen. Viele weitere Unternehmen könnten mit persönlichen Gesundheitsdaten Wettbewerbsvorteile generieren. Es gibt sicherlich genug kriminelle Energie und das Know- how Gesundheitsdaten abzugreifen und auf dem Markt anzubieten.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen verspricht viele Vorteile. Die Daten sollten aber ausschließlich auf den Gesundheitskarten der Versicherten, eGK, gespeichert werden und nur mit deren Freigabe selektiv Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und anderen Gesundheitsdienstleistern zugänglich werden. Die Datenhoheit muss beim Patienten bleiben.
Wählt der Patient die Eintragung der Daten in seine ePA, werden folgende Daten erfasst:
· Befunde
· Diagnosen
· Therapiemaßnahmen
· Behandlungsberichte
· Impfungen
· elektronische Medikationspläne
· elektronische Arztbriefe
· Notfalldatensätze
Für die zahnärztliche Behandlung ändert sich dadurch viel.
Einerseits müssen Befunde und Diagnosen allgemeinverständlich ausgeschrieben werden. Die uns selbst bekannten Kürzel werden nicht genügen. Dies betrifft auch die Röntgendiagnostik. Auch müssen unsere Therapiemaßnahmen dokumentiert werden- ob hier allein Abrechnungspositionen ausreichen werden ist gegenwärtig nicht bekannt.
Auch müssen diese Daten unmittelbar geprüft werde, weil sie in der ePA gespeichert werden. Eine Eingabekontrolle und nachträgliche Korrekturen am Abend werden nicht mehr möglich sein.
Das kostet wertvolle Arbeitszeit unmittelbar im Anschluss der Behandlung.
Andererseits müssen die Daten der ePA bei der Patientenuntersuchung gelesen werden. Aus forensischen Gründen wird das Studium der eigenen fachlichen Anamnese nicht ausreichend sein. Dies erfordert erheblich mehr Arbeitszeit, die bei der Terminvergabe einer Untersuchung a priori nicht abschätzbar ist.
Es ist zu befürchten, das in den Honorarverhandlungen unserer Standesvertreter mit den Krankenkassen diese Mehrleistungen nicht oder nicht ausreichende Berücksichtigung finden werden.
Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur die Vorteile der Digitalisierung im Fokus behalten, sondern uns als Zahnärzteschaft insgesamt kritisch gegenüber dem Datenmoloch ePA äußern.
Die gewachsene vertrauensvolle Arzt- Patientenbeziehung steht zur Disposition, wenn wir keinen Bürokratieabbau erleben, sondern eine weitere hochkomplexe und fachunspezifische Datenflut zu verarbeiten haben. Die sogenannte Versorgungsforschung, die mit den Daten der ePA erfolgen soll, lässt eine weitere politisch gewollte Kommerzialisierung der zahnärztlichen Versorgung befürchten.
Wenn Sie es nicht schon tun, engagieren Sie sich bitte für unsere standespolitischen Ziele.
Sie können mit Ihrer Mitgliedschaft die politischen Aktionen von Zukunft Zahnärzte Bayern unterstützen.
Vielen Dank.
Dr. Armin Walter
Im Folgenden finden Sie diverse Links zu Veröffentlichungen und Informationen zu Thema:
https://www.gesundheitsdaten-in-gefahr.de/
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pdsg.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientendaten-schutz-gesetz.html
https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2020/20_BfDI-zu-PDSG.html
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/116410/BMG-sieht-Start-der-elektronischen-Patientenakte-nicht-gefaehrdert
https://www.aok-bv.de/hintergrund/gesetze/index_22127.html
http://www.leibniz-fh.de/fileadmin/Redaktion/pdf/FH/Forschungsbaende/Integrierte_Unternehmensf%C3%BChrung_Digitalisierung_im_Gesundheitswesen_7.pdf#page=49
https://www.data4life.care/de/journal/gesundheit-lebensqualitaet/datenspende-in-medizin/
https://www.pharma-relations.de/news/fast-drei-viertel-befuerworten-elektronische-patientenakte