Wahlentscheidung 2022 - Kollegialität als Leitlinie  

23/6/22
Wissenschaft

Die Kollegialität als Leitlinie

 

Der ehemalige Vorsitzende der KZVB, Dr. Janusz Rat, pflegte die ganztägigen, fachspezifischen KZVB-Gutachtertagungen – welche in der angemessenen, ganztägigen Form ja zu Beginn dieser nun endenden Legislaturperiode abgeschafft wurden - mit folgenden Worten zu eröffnen:

 

Sie tragen eine hohe Verantwortung, denn Sie definieren mit ihrem gutachterlichen Urteil die Benchmark in der Zahnheilkunde“.

 

Will man dies richtig verstehen, so war hiermit nicht nur gemeint, wie Qualität in der Zahnheilkunde zu definieren sei, sondern auch und im Besonderen, was den Kolleginnen und Kollegen in der täglichen Praxis an vermeintlicher Qualität denn konkret zuzumuten ist. Es ging also mit dem klug gewählten Begriff der „Benchmark“ in Bezug auf das gutachterliche Urteil um das Verhältnis von zahnheilkundlichem Anspruch und praxisorientierter Realität.

 

Nach fast 20 Jahren Tätigkeit als KZVB-Gutachter und fast ebenso langer Tätigkeit als Sachverständigengutachter erlaube ich mir an dieser Stelle dieses Zitat dahingehend zu ergänzen, dass es bei der gutachterlichen Tätigkeit noch um etwas viel wichtigeres geht, als um die bloße Beurteilung zahnärztlicher Planungen oder Behandlungen, es geht um das vielleicht höchste Gut unseres kleinen Berufsstandes: die Kollegialität.

 

Dabei ist mir wichtig, dass Kollegialität nicht mit Nepotismus zu verwechseln ist. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, nein, es gibt nicht mal eine Schnittmenge. Nehmen wir indessen die Kollegialität als nicht zu diskutierenden Grundsatz unseres täglichen, gegenseitigen Handelns, so ließen sich auch viele drängende, berufspolitische Fragestellungen möglicherweise zielgerichteter und im Sinne unsereins lösen. Das Gutachterwesen wie im Übrigen auch die Berufspolitik haben eine Vorbildfunktion allen Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Das Ich, die einzelne Person, sollte sich unter Berücksichtigung dieser Verantwortung, dem Ganzen unterordnen. Hybris und die Neigung zum Schulterklopfen sind keine guten Eigenschaften, wenn es um die Belange anderer geht. Aber hierzu später mehr.  

 

Zurück zur Benchmark. Während zu Beginn meiner gutachterlichen Tätigkeit 2005 noch lange und genüsslich über die Präzision von Kronenrändern diskutiert wurde und das Gutachterwesen dabei nicht zu Unrecht der Ruf anhing, die Ränder anderer mit besonders spitzer Sonde zu beurteilen, ohne dabei zu bedenken, dass jedes gutachterliche Urteil aktenkundig dazu beitragen kann, eben diese Benchmark aus einer gewissen Selbstgefälligkeit so zu definieren, dass dadurch künftig möglicherweise nahezu jeder Kronenrand als unpräzise zu werten sein könnte, so hat sich diese Herangehensweise seither wesentlich verändert.

 

Viele Fragestellungen wie etwa die einer obligaten Anwendung des Kofferdams bei endodontischen Behandlungen oder ob eine schriftliche Einwilligung vor einer Leitungsanästhesie denn zwingend ist, wurden ausführlich fachlich diskutiert, in kollegialem Sinne bewertet und in Leitlinien für Gutachten formuliert. Die einst verbreitete Blasiertheit ist einer kontinuierlich wachsenden Demut vor der gutachterlichen Verantwortung gewichen. Diese Entwicklung entspringt nicht zuletzt einer gewissen Erdung, welche einerseits auf dem intensivierten gutachterlichen Austausch im kleinen Kreis, auf Fachtagungen sowie der kontinuierlichen Aus- und Fortbildung basiert. Zum anderen sind die meisten Gutachterinnen und Gutachter hauptberuflich praktizierende Zahnmediziner*innen, dies meist in eigener Praxis und teilen somit all die Schwierigkeiten, die unseren Beruf so anspruchsvoll und eben auch fehleranfällig machen. Sich genau dessen bewusst zu sein, sich einzureihen und nicht darüber zu stellen, ist Grundlage eines kollegialen Gutachterwesens.

 

Zu dieser Entwicklung gehört, dass sich die Qualität zahnärztlicher Gutachten in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert hat, die Erstattung der Gutachten ist in aller Regel strukturiert und orientiert sich weniger am persönlichen Gutdünken, sondern den allgemein gültigen, oft im Gutachterforum rückversicherten, reevaluierten Standards. Der Qualitätssicherung wurde hierzu ein notwendiger und stringenter Rahmen gegeben. Vor dem Hintergrund dieser positiven Entwicklung ist der Verdruss vieler KZVB-Gutachterinnen und Gutachter über die Schrumpfung der einst eigenständigen, ganztägigen KZVB-Gutachtertagung zu einem Appendix einer eintägigen, gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung mit den BLZK-Gutachtern durchaus verständlich und in der Sache auch nicht förderlich. Finanzielle Gründe hierfür anzuführen lässt vermuten, dass das KZVB-Gutachterwesen offenkundig keinen entsprechenden Stellenwert in der gegenwärtigen Standesvertretung zu haben scheint.

 

Dabei gibt es durchaus erfreuliche Entwicklungen. Bei der diesjährigen Veranstaltung wurde auch ein Rückblick auf die letzten Jahre präsentiert. Zweifelsfrei ist die nun flächendeckende Versorgung Bayerns mit KZVB-Gutachtern eine erwähnenswerte Leistung. Wenngleich dies nur eine quantitative Verbesserung darstellt und noch keine Aussage zur Qualität zulässt. Es wäre durchaus interessant gewesen in diesem Kontext zu erfahren, wie sich die große Zahl neuer, unerfahrener Gutachter auf die Verfahren ausgewirkt hat, ob also die Zahl von Planungs-Ablehnungen und Feststellungen von Mängeln zu- oder abgenommen hat. Positiv festzustellen ist, dass die Ausbildung weiter strukturiert wurde. Hingegen fielen Qualitätszirkel in bestimmten Bezirken dadurch auf, dass diese nach 15 Minuten ohne jedwede Vorbereitung des Moderators beendet oder kurzfristig ganz abgesagt wurden. Da sind Verbesserungen denkbar.

 

Bedauerlich ist auch, dass langjährige, erfahrene, verdiente und angesehene Kolleginnen und Kollegen mit einem Gefühl des vor die Tür gesetzt werden ihres Amtes enthoben wurden. An sich ist ja der Vorgang einer Verabschiedung ein völlig normaler Vorgang, auch soll nicht der Eindruck entstehen, als hinge man am Talar des Ehrenamtes - wenn dies jedoch nach vielen Jahren des mitunter leidenschaftlichen und kollegialen Einsatzes ohne Begründung, ohne eine Würdigung und ohne angemessenen Dank erfolgt, sondern mit einem formlosen Schreiben, welches, bei allem Respekt, lediglich von einer Sekretärin im Gutachterreferat unterschrieben wurde, sorgt dies dann doch für Verwunderung. Und bedankte man sich dem zum Trotz dennoch selbst für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei dem Gutachterreferat, so blieb auch dies unbeantwortet. Ein Mangel an Zeit? An Fingerspitzengefühl? Oder an Kollegialität?

 

Führen wir uns die oben beschriebene Vorbildfunktion von Gutachterwesen und Standespolitik in Sachen Kollegialität nochmals vor Augen, so sollte diese jedweder parteipolitischer Patronage doch erhaben sein. Hat man es denn in unserem kleinen Kreis wirklich nötig, Macht für eigene Interessen und Personen zu nutzen? Wo bleiben die Vornehmheit, Würde und aufrechte Haltung? Wo bleibt die Offenheit für das Argument des anderen? Als unbedarfter Betrachter dessen, was in der Fallstraße und Flößergasse Grundlage für die eine oder andere Personalentscheidungen zu sein scheint, ist vielleicht doch eine Schnittmenge von Kollegialität und Nepotismus vorhanden. Dies verwundertin sofern, als dass doch das Amt den Kolleginnen und Kollegen dienen sollte -und nicht umgekehrt. Analog hierzu dient das Gutachten nicht der Selbstgefälligkeit des/der Gutachters*in, sondern unserem Berufsstand - zur Wahrung der Standards unter kollegialer Berücksichtigung der täglichen Praxis. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.  

 

Es wäre für die kommende Legislaturperiode wünschenswert, dass die Besetzung der Ämter, im Großen wie im Kleinen, auf Grundlage von Offenheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit erfolgt. Es versteht sich überdies von selbst, dass Kompetenz und nicht zuletzt Machbarkeit im Sinne ausreichender zeitlicher Valenzen entscheiden sollten. Standespolitik muss frei sein von Günstlingswirtschaft, Hochmut und Willkür. Anstand und Kollegialität sind in Zeiten größter berufspolitischer Herausforderungen die unbestreitbaren Säulen des Handelns. Dies gilt für alle Beteiligten. Dies ist die Benchmark.

 

Und auch das sollte allen Amtsträgern bewusst sein: Die Bewertung dessen, was im Sinne unseres Berufsstandes geleistet wird, erfolgt nicht heute, sondern durch die künftige Generation. Vorrausschauend und kollegial zu handeln ist diesbezüglich nicht die schlechteste Maxime.  

 

And last but not least:

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie Ihre Wahlunterlagen nicht ungenutzt.

Wählen sie, für sich und unseren Berufsstand, im Sinne der Kollegialität.  

 

Herzlichst,

Ihr/Euer Zsolt Zrinyi

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